Was macht ein Nachtwächter überhaupt?

Etienne Légat
Etienne Légat
April 6, 2025
6 min Lesezeit

Wenn die Sonne untergeht und die Straßen sich leeren, beginnt die Zeit der Nachtwächter. Heute verbinden wir diesen Begriff meist mit romantischen Vorstellungen von Laternen und Spaziergängen in der Dunkelheit. Doch wie sahen die Aufgaben und das Leben eines echten Nachtwächters ursprünglich aus? Und warum begeistern uns die Hüter der Nacht bis heute? Ein Blick in die Geschichte der Nachtwächter soll „Licht in's Dunkel“ bringen.

Ein Beruf mit langer Tradition

Schon im Mittelalter waren Nachtwächter ein unverzichtbarer Bestandteil des Stadtlebens und ihre Arbeit war von äußerster Wichtigkeit! Ihre Aufgabe war es, in der Nacht für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Sie patrouillierten durch die Gassen der Stadt, sorgten nach Einbruch der Dunkelheit für Ruhe, kontrollierten die Häuser auf mögliche Brandgefahren, damit diese frühzeitig vermieden werden konnten und bemühten sich, dass Diebe oder Feinde es nicht allzu leicht hatten. Um diesen Aufgaben nachzukommen, trugen Nachtwächter meist ein Horn bei sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Außerdem waren sie stets mit einer Hellebarde oder einer anderen Art von Stangenwaffe bewaffnet. Und zu guter Letzt brauchten sie natürlich eine Laterne.

Das Symbol der Nachtwächter und Türmer an der Lambertikirche in Münster.

Hieraus ergibt sich ein weit verbreiteter Irrglaube, Nachtwächter hätten bei Einbruch der Dunkelheit die Straßenlaternen angezündet. Im finsteren Mittelalter, als die Nachtwächter in den meisten Städten ihren Dienst erstmalig antraten, gab es jedoch noch keine Straßenbeleuchtung. Diese kam in Deutschland frühestens ab dem ab dem 17. Jahrhundert auf, doch die ersten Tranlampen erhellten die Gassen nur dürftig. Angezündet und gelöscht wurden sie nicht von Nachtwächtern, sondern von städtischen Laternenanzünder, die dazu mit einer Leiter hoch zu den Lampen stiegen.
Nachtwächter waren viel mehr dazu angehalten, sich vom genauen Gegenteil zu überzeugen. Sie kontrollierten, ob in den Häusern der Stadt alle Licht- und Feuerquellen nachts auch tatsächlich gelöscht wurden. Zu groß war die Gefahr eines plötzlichen Stadtbrandes, besonders, wenn alle Bürger schliefen. Geradezu lebenswichtig war die Einhaltung der feuerpolizeilichen Vorschriften, denn die vorherrschenden Fachwerkbauten boten möglichen Feuerbrünsten die ideale Nahrung. Manche Städte gewährten den Hausbesitzern Zuschüsse, wenn sie die Dächer ihrer Häuser mit Dachziegeln anstelle von Stroh decken ließen.

Kontrollierte Kontrolleure

Daher war der Beruf des Nachtwächters von großer Bedeutung. Sein rascher Warnruf konnte das Leben der Menschen, ja sogar der ganzen Stadt retten! Leider schlug sich die Wichtigkeit des Nachtwächters und seiner Aufgaben nicht in seinem Lohn nieder. Und auch mit dem sozialen Stand des Nachtwächters war es nicht weit her. Der Beruf des Nachtwächters galt, wie auch die Tätigkeiten des Henkers oder des Abdeckers, als unehrlich. Die Menschen waren noch bis ins 18. Jahrhundert sehr abergläubisch und fürchteten sich vor allem, was des Nachts vor sich ging. Man traute den nächtlichen Ordnungshütern daher oft nicht über den Weg.
Zum Teil war es so, dass die Nachtwächter zu jeder vollen Stunde ein eigenes Lied anstimmten. Das Singen des Liedes diente zur Kontrolle, ob der Nachtwächter wirklich seinen Dienst vollzog, anstatt einen Teil der Nacht zu verschlafen. Bekannt sind auch heute noch Nachtwächterlieder, mit denen die jeweiligen Stunden ausgerufen wurden. So z.B. das Lied „Hört' Ihr Herr'n und lasst Euch sagen“. Ob dieses oder ähnliche Nachtwächterlieder auch in unseren Städten von Walk With Me gesungen wurden, ist nicht überliefert. Außerdem - wer will schon zu jeder vollen Stunde durch das Gesangstalent des Nachtwächters geweckt werden?

Tapfere Frauen

Ein anderer Irrglaube ist, es habe seit jeher nur männliche Nachtwächter gegeben – weit gefehlt! Schon in der Steinzeit waren es zunächst die Frauen, die als Feuerwächterinnen auf dieses seltene Gut aufzupassen hatten, während ihre Männer draußen der Jagd nachgingen. War das wertvolle Feuer erloschen, behalf sie sich mit Feuerstein und Zunderschwamm, um es wieder zu entfachen.
Später, als die ersten Nachtwächter in den Städten eingesetzt wurden, waren es dennoch oft tapfere Frauen, die über das Feuer wachten. Waren die Nachtwächter erkrankt, übernahmen ihre Frauen oft die nächtlichen Rundgänge. Auch dann, wenn der Gemahl zu sehr über die Stränge geschlagen hatte oder seinen Rausch ausschlafen musste. Selbst den kargen Lohn konnte sich die Familie eines Nachtwächters nicht entgehen lassen – denn wenig Gehalt war immer noch besser als gar keines!

Nachtwächterinnen sind auch in Osnabrück für uns im Einsatz

Was die Nachtwächterinnen von einst besonders auszeichnete, war deren Pünktlichkeit und dass sie zu keiner Zeit dem Alkohol verfallen waren. Rückblickend hat man die Leistung dieser dienstbeflissenen Frauen darin gewürdigt, sie allesamt in die Deutsche Nachtwächter-Gilde aufzunehmen. Ein nicht unwesentlicher Unterschied zur ‚Zunft‘: In den Zusammenschlüssen der sogenannten ‚Gilden‘ sind auch Frauen zugelassen.

Der Nachtwächter heute

Heute gibt es keine Nachtwächter mehr im klassischen Sinne. Doch in unseren Städten bieten wir Dir historische Nachtwächterführungen an, bei denen unsere Guides in authentischer Kleidung die alten Geschichten wieder aufleben lassen. Sie führen Dich durch enge Gassen, erzählen Anekdoten und sorgen mit schaurigen Legenden für Gänsehaut. So bleibt das Erbe der Nachtwächter lebendig.
Willst Du noch mehr über das Leben und den Alltag eines Nachtwächters erfahren? Dann begleite einen unserer Ordnungshüter doch einfach auf seiner Patrouille und lausche seinen Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Doch keine Angst! Bei unseren Nachtwächter-Touren musst Du Dich nicht mit lichtscheuem Gesindel oder Feuern herumschlagen – meistens zumindest…